Aktuelles


Das Christuszeugnis gegenüber dem Judentum

Von Klaus Mosche Pülz

Angesichts der Dringlichkeit und aus persönlicher Verantwortung in einer zunehmend eschatologisch sich entwickelnden Zeit hat sich der 6. Europäische Bekenntniskongreß in Drogeham (Friesland, Niederlande) vom 27. bis 30. August 1996 auch mit dem Verhältnis zum Judentum auseinandergesetzt.

Dabei stimmten die Teilnehmer der Arbeitsgruppe 4 folgenden Ausführungen des Leiters der Messianischen Bekenntnisgemeinschaft, Herrn Klaus Mosche Pülz, grundsätzlich zu:

1. Es bleibt als unumstößliches Heilsfaktum bestehen, daß Jesus Christus allen Menschen - ungeachtet jedweder Geistesströmungen - als Herr und Erlöser zu verkündigen ist. Das gilt auch in der Zeit nach dem Holocaust besonders im Blick auf die Juden, denen wir Ihn als ihren eigenen Messias zu bezeugen haben (Mt. 24,14; 28,19-20; Apg. 1,8; 4,12; Röm. 1,16-17). Den Juden ihren Messias-Christus vorzuenthalten, machte uns erneut schuldig vor Gott, gegenüber seinem von Ihm eingesetzten Erlöser und an dem Volk, das nach Zion in unseren Tagen zurückkehrte (Sach. 12,10; Joh. 1,49; 8,21; Offb. 5,12).

2. Wir Christen aus den Nationen bleiben mit Schmerzen dessen eingedenk, daß im Bewußtsein des jüdischen Volkes weltweit und in Israel solch christlich-messianisches Zeugnis - insbesondere aus dem Munde von Deutschen - überschattet ist. Unvergessen sind die Verfolgungen während seiner fast zweitausendjährigen Diaspora unter den Völkern. Daran hat sich oft eine triumphalistische Kirche sogar "im Namen Christi" beteiligt. Einhergehend mit diesem Genozidversuch wandte sich gegen das Israel im Exil auch eine theologisch begründete Substitutionslehre, nach welcher Gott das alte durch das neue Israel, die Kirche, ersetzt habe. Dadurch sollten die Juden in ihrer Gesamtheit von ihrem künftigen missionarischen Auftrag Licht für die Völker zu werden (Jes. 42,6; 49,6; 60,1; Apg. 13,47), ausgeschlossen bleiben. Auch ein Stillschweigen zu mannigfachen Verfehlungen gegenüber dem noch im Fleische befindlichen Israel ist Versündigung, weil es dem Liebesgebot Jesu in Joh. 13,34-35 eindeutig widerspricht. So kann es zu begangener Schuld an den Juden als Antwort nur aufrichtige Buße geben. Wir sagen daher nachdrücklich dem Geiste ab, der zur Verschuldung an dem jüdischen Messias führte, weil wir seine Liebe nicht glaubhaft machten und dagegen den Geist weltanschaulicher Vermessenheit, des Antijudaismus und Antisemitismus setzten, der in letzter Konsequenz Ausdruck eines Antichristentums ist. Was einst aus der Lieblosigkeit entsprang, darf sich nicht mehr wiederholen.

3. Wir treten ein für das Lebensrecht der Juden weltweit und insonderheit im verheißenen Land der Väter entsprechend der göttlichen Zusagen (1 Mo. 17,8; Jos. 1,3-6; Hes. 36,33-38; 47,14-23). Bezugnehmend auf die Rechte, die die Palästinenser auf das gleiche Land erheben, so gilt hierzu folgender biblischer Rechtsstandpunkt: Die Palästinenser (arab.: falestin = Philister) sollten nicht mit der göttlichen Absicht in Konflikt geraten, das jüdische Volk in anerkannten und sicheren Grenzen leben zu lassen. Das gilt besonders unter der Ägide eines panislamischen Hegemonialanspruchs. Israel seinerseits ist dazu gehalten, auch in der Zeit nach seiner Umkehr zu dem Messias Jeschua (= Jesus) die Fremdlinge in seinem Lande wie Einheimische zu behandeln und zu achten (Hes. 47,22).

4. Die Bestrebungen, ein revidiertes Verhältnis zu den rabbinischen Lehren und dem jüdischen Selbstverständnis zu gewinnen, dürfen nicht dazu führen, auf die Bezeugung des Evangeliums zu verzichten, weil die Juden angeblich ihren eigenen Heilsweg hätten. Das Zeugnis vom Heil Gottes, begründet durch die Erlösertat am Kreuz von Golgatha, darf nicht einem unverbindlichen Dialog geopfert werden. Dies hätte nur zum Ziele, daß dann aus philosemitischer Motivation heraus die Juden weiterhin von dem Heil ihres eigenen Messias ferngehalten würden. Dies entspräche der fatalen Taktik des diabolos. Andererseits erkennen wir aus den talmudischen Ausführungen in den Telodot-Jeschu-Berichten, daß Jesus Christus darin nach wie vor als etnan-zonah (Geschenk einer Hure) und mit der abwerten den Bezeichnung Jeschu (Abkürzung von Imach schmo u-sichero = sein Name und das Andenken an ihn soll ausgelöscht sein) geschmäht und verfolgt wird. Dies zeigt, daß das nationale Israel noch immer in Unbußfertigkeit lebt und aufgrund seiner permanenten Leugnung seines wahren Erlösers und Friedenskönigs letztendlich einem falschen Messias, dem Antichristen, huldigen wird (Joh. 5,43). Auch wenn wir als Christen aus den Heidenvölkern in den guten Ölbaum Israel eingepfropft wurden, so gilt es, unentwegt daraufhinzuwirken, daß durch die von Gott verheißene Umkehr ganz Israels dieses Volk seinen Erlöser-Christus ergreift und so wieder in seinen artentsprechenden Ölbaum eingepflanzt werden kann (Röm. 11,15-27).

5. Darum bleiben wir als Christen von Gott durch die Frohe Botschaft des Evangeliums an Israel gewiesen, um auch den Juden mit der Kunde ewiger Sündenvergebung durch Jesus Christus ohne eigene Gesetzes-Leistungen zu dienen, und ihnen die Versöhnung zu bezeugen, die wir selbst erfahren haben. Das messianische Zeugnis zielt auf Israels Wiedereinsetzung in den auf Golgatha und zu Pfingsten (Schawuot) erneuerten neuen Bund der Gnade (Jer. 31,31-34; Hebr. 10,16-17). Allein dieser Bund schenkt durch die gläubige Annahme des Sühnetodes Rechtfertigung vor dem heiligen Gott im Gegensatz zu der Werksgerechtigkeit rabbinischer Denkweise (Röm. 10,3-4; 11,27).

6. Rechtes messianisches Zeugnis an Israel achtet die besonderen Segnungen des einstigen Bundesvolkes hoch (Röm. 10,4- 5). Dabei sind vor allem Israels messianische Juden (Judenchristen) in die Verantwortung eines solchen Zeugendienstes an das in seine Heimat zurückgekehrte Volk Israel gerufen. Als Wächter auf den Zinnen Jerusalems (Jes. 62,6-7) sind sie zugleich die rechten Friedensboten, die Gutes predigen und Heil verkündigen (Jes. 52,7-10), um Israel der wesensmäßigen Erkenntnis zuzuführen, daß in der noch immer verachteten Gestalt des leidenden Gottesknechtes (Ewed ha-Schem, Jes. 53,1-12) der ewige Gott Seinen ewiggültigen Heilsplan nur alle Menschen ohne Ausnahme offenbart hat. Dieses evangelistische Zeugnis gilt es mit Entschiedenheit als einladendes Angebot dem Volke Israel vorzutragen. Sie tun es, oder sie lassen es! (Hes. 2,7; 3,11; 33,8-9; 2 Kor. 5,20). Der Ruf zu Jeschua ha-Ma-schiach (Jesus, dem Christus) fordert die Juden keineswegs dazu auf, ihre Geschichte zu verleugnen oder ihre Zugehörigkeit zum Volke Israel preiszugeben. Vielmehr finden damit die Juden erst zu ihrer ursprünglichen universalen Berufung, Gottes Segen an alle Völker zu vermitteln (1 Mo. 12,3; 2 Mo 19,4-6; 1 Petr. 2,9; Röm. 11,11-15).

7. Die Kirche darf demzufolge das Evangelium nicht widerchristlich verkürzen und unter Bezugnahme auf Israel im Sinne falsch verstandener Ökumenizität auf einen partnerschaftlichen Dialog verkürzen. Das Bekenntnis und Zeugnis zur Messianität und Gottessohnschaft Jesu (Mt. 16,16) und seines insbesondere für jüdische Menschen provokativen Todes am Fluchholz, zu seiner Auferstehung, Entrückung, Erhöhung und Wiederkunft sowie zur Trinität Gottes darf niemals um der Annäherung an die anderen monotheistischen Religionen willen preisgegeben werden. Dies wäre nicht nur Glaubensabfall, sondern würde auch als eine nachträgliche theologische Rechtfertigung der Verwerfung und Verurteilung Christi durch die damaligen Führer Israels bedeuten und zur Entwicklung eines antichristlichen Messiasbildes führen (2 Kor. 11,3-4), was der jüdischen Orthodoxie zudem sehr zustatten käme.

8. Das geschwisterliche Liebesgebot veranlaßt uns, für die verbrieften Menschenrechte, das Bürgerrecht und die religiöse Glaubens- und Versammlungsfreiheit derjenigen Brüder und Schwestern im Staate Israel einzustehen, die als Juden zum Glauben an unseren gemeinsamen Messias Jesus gefunden haben. Hierzu gehört auch die Möglichkeit des öffentlichen Bekenntnisses. Weil sie dafür heute mit Isolation bis hin zu Verfolgung rechnen müssen, haben sie Anspruch auf unsere ungeteilte Fürbitte, Solidarität und brüderliche Zuwendung. Besuche im Heiligen Land sollten stets zur Begegnung mit unseren judenchristlichen Geschwistern genutzt werden. Mitgeführte Bibeln helfen ebenfalls, den Notstand an evangelistischer Literatur abzuhelfen.

9. Die eschatologischen Zeichen weisen untrüglich auf die baldige Wiederkunft Jesu Christi hin. Darum sollte unser Ruf zur fortgesetzten Fürbitte für ein bedrängtes Israel sowie zur bibelkonformen Verkündigung des Heilsratschlusses Gottes mit Israel vor allem an alle Kirchen, Freikirchen und christlichen Gemeinschaften gerichtet werden. Dabei ist einer grundsätzlichen Verweigerung der Evangeliumsbezeugung gegenüber den Juden als theologische Verirrung und kaschierter Glaubensabfall entgegenzutreten. Vielmehr laden wir alle Christen dazu ein, jedweden Dienst zu unterstützen, der in recht verstandener Weise jüdischen Menschen ihren eigenen Messias näherbringt und glaubhaft macht. Sammlungen und Opfererträge - insbesondere jene vom 10. Sonntag nach Trinitatis - sollten wirklich solchen Werken zugute kommen, die nachweisbar solch einen Verkündigungsdienst am jüdischen Volke tun und dies auch dokumentieren. Da die EKD in Deutschland hierzu wider besseres Wissen bislang nicht bereit war, sollten RRIB und ICN einen eigenen Fonds für diesen Zweck einrichten*.

Mit dem Apostel Paulus bekennen auch wir einmütig: Wir schämen uns des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben: die Juden zuerst und auch die Griechen (Röm. 1,16). Möge der HERR uns hierzu jederzeit Kraft und Freudigkeit schenken!


* Entgegen der Zusage in Ziff. 9 hatte weder der ICN noch der holländische Zweige RRIB einen solchen Fonds eingerichtet, um die Verkündigung des Evangeliums durch uns bekennende Judenchristen in Israel finanziell zu fördern. Das Bestreben solcher Resolutionen sollte darin bestehen, diese auch in die Tat umzusetzen und nicht in den Schubladen verschwinden zu lassen!

Gruß
Gez. Klaus Mosche Pülz


eine Information des ZeLeM e.V (2009)