Israels Menschenrechtsverständnis auf dem Prüfstand

 

Jerusalems Lateinischer Patriarch, Michel Sabbach, kritisierte Israel, daß das Heilige Land nicht allein der Wohnort für Juden sei. Muslime und Christen lebten gleichermaßen zwischen Mittelmeer und Jordan. Israels Anspruch, sich als Judenstaat zu definieren, diskriminiere die christlichen und muslimischen Bevölkerungsgruppen. Sabbach ist in Nazareth geboren und ist geprägt von der christlichen Tradition des Ortes. Insbesondere die Altstadt von Jerusalem sei Sabbach zufolge ein Symbol für die Symbiose zwischen Volksgruppen aller drei Konfessionen. Israel, dessen Mehrheit jüdisch ist, moniert andere Staaten, weil sie sich als islamische Republiken bezeichnen, aber – so fragt er – tut Israel nicht das Gleiche?

Wir erinnern an dieser Stelle, daß wir durch eine Großaktion in den Medien die Angabe der Religion in der israelischen Kennkarte kritisiert hatten. In meinem alten „teodat se’ut“ (Kennkarte) vom Jahre 1967 stand noch die Bezeichnung „jehudi“ (Jude). Doch in meiner neuen Kennkarte stehen in dieser Rubrik kleine Sterne.

Sami Michael, Präsident der Menschenrechtsliga in Israel, beklagt in einem Bericht, daß die Menschenrechtslage im Lande Zions noch niemals so schlecht war, wie in diesen Tagen. Michael geht von einem 26-prozentigen Anstieg aus und meint dabei Übergriffe von Juden gegen arabische Mitbürger. Zwar definiere sich Israel als Demokratie, aber diese Demokratie sei von einer rassistischen Einstellung der Institutionen unterwandert, die den Bürgern einen verschiedenartigen Status einräumten. Viele Israelis möchten Arabern nicht die gleichen Rechte wie gegenüber den Juden einräumen. Ich selbst startete den Versuch, daß ich mit einer Kippa auf dem Kopf zuvorkommender behandelt wurde als ohne Kopfbedeckung. Daher ist davon auszugehen, daß der Großteil der Kippaträger dies weniger aufgrund ihrer religiösen Überzeugung tun, sondern um bevorzugt behandelt zu werden. Man kann dieses Phänomen auch bei den äthiopischen Einwanderern feststellen, wo die Männer fast in der Regel eine Kippa tragen, ohne überhaupt über die Inhalte des Judentums informiert zu sein.

Bei einer Umfrage ergab sich, daß 55 Prozent der befragten Israelis eine Auswanderung der arabischen Volksgruppe befürworten. 78 Prozent indes lehnen die Beteiligung von Arabern am israelischen Parlamentarismus ab. Einer Studie der Universität von Haifa zufolge halten 74 Prozent der israelischen Jugend Araber für „unrein“. Bei den Befragungen anläßlich arabischer Ausreisenden am Flughafen müssen sich Israeli-Araber umfangreicheren Befragungen unterziehen als jüdische Ausreisende. Sie gelten grundsätzlich als Sicherheitsrisiko für den Staat Israel.

Israels Innenministerium gab in einer Erklärung bekannt, daß lediglich 1.500 Falasch Mura noch berechtigt sind, nach Israel auszuwandern. 8.500 äthiopische Auswanderungswillige beanspruchen ebenfalls eine Einwanderung nach Israel. Falasch Mura sind Personen, die jüdischer Herkunft sind, aber später zum Christentum konvertierten. Somit gelten sie als nicht jüdisch entsprechend der jüdischen Gesetze, aber im Jahre 1999 unter dem Druck lokaler äthiopischer Gruppen und amerikanischer Organisationen lenkte die israelische Regierung schließlich ein und brachte sie nach Israel. Gemäß der Einwanderungskriterien, die den halachischen Vorschriften des sephardischen Oberrabbiners Schlomo Amar unterliegen, muß ein Falasch Mura den Nachweis erbringen, daß seine Vorfahren bis ins 7. Glied jüdisch waren. Hiernach lehnte das israelische Innenministerium die Einwanderungsanträge von 3.000 Bewerbern im letzten Jahr ab. Diese Maßnahme führte zu Protesten innerhalb der äthiopischen Gruppierungen in Israel und fordern die Zuzugsgenehmigungen für die in Äthiopien verbliebenen 8.500 Ausreisewilligen. Sogar die Jewish Agency geht davon aus, daß diese Zahl lediglich die Spitze des Eisberges sei, wonach zigtausende Äthiopier die Absicht hätten, nach Israel auszuwandern. Israel integrierte inzwischen bereits 30.000 Falasch Mura im Verlauf der letzten zehn Jahre, ohne hierfür gesetzlich verpflichtet gewesen zu sein. Nunmehr sei man nicht mehr gewillt, weitere Äthiopier die Einreise nach Israel zu bewilligen. Innenminister Meir Scheetrit stellte es der Nordamerikanischen Konferenz äthiopischer Juden (NACOEJ) frei, die in Äthiopien verbliebenen Ausreisewilligen in die Staaten einreisen zu lassen. Zu bemerken dabei ist, daß die Integration der äthiopischen Einwanderer dem Staat Israel Unsummen gekostet hat. Schließlich handelt es sich dabei um eine Bevölkerungsgruppe, die über keine Bildung verfügt und sich als eine finanzielle Bürde für den Judenstaat herausstellte. Viele Verbrechen, zu denen auch Ehrenmorde an äthiopischen Frauen und Eifersuchtsdramen gehören, sind an der Tagesordnung. Diese wiederum beschimpfen Israel im Gegenzug als einen „Apartheit-Staat“.

Es ist allerdings mit den Menschenrechten unvereinbar, daß die Kinder von Gastarbeitern, nur weil sie keine Juden sind, vornehmlich bei den Gesundheitsdiensten ungleich behandelt werden. Wenn Israel sich schon Gastarbeiter ins Land holt, die  die Drecksarbeiten machen, weil sich die Juden dazu zu schade sind, dann haben deren Kinder die gleichen Rechte der staatlichen Fürsorge zu beanspruchen wie alle anderen Kinder auch. Eine diesbezügliche Gesetzesvorlage, die diesen Mißstand ändern sollte, wurde Mitte November vergangenen Jahres vom Finanz- und Gesundheitsministerium abgeschmettert. Ist der Vater eines Kindes Israeli und die Mutter eine Ausländerin, dann haben die Eltern mittels eines Gen-Tests das gemeinsame Kind beim Gesundheitsamt zu registrieren. Neugeborene Kinder müssen eine lange Zeit darauf warten, als solche bei der Gesundheitsbehörde registriert zu werden. Sollte ein Elternteil auch noch palästinensischer Herkunft sein, dann ist eine solche Registrierung überhaupt ausgeschlossen. Dies betrifft auch Kinder, die sich ohne ihre Eltern in Israel aufhalten. Ran Cohen, Direktor der PHR-Israel-Abteilung, erläutert hierzu: „Die vorliegende Ablehnung des Staates, Tausenden von Kindern ein Minimum an gesundheitlicher Fürsorge angedeihen zu lassen, ignoriert deren gesundheitliche Bedürfnisse und fördert deren Leiden in einer unverantwortlichen Weise. Darüber hinaus werden damit internationale Abkommen ignoriert, zu denen sich Israel verpflichtet hatte. Damit setzt sich Israel selbst dem Vorwurf aus, Nichtjuden als „Untermenschen“ zu behandeln, obschon die Torah zu bedenken gibt, daß auch sie einst Fremdlinge in Ägyptenland gewesen sind (2. Mos. 23,9).

Und was die von uns oft genug angemahnte Verabschiedung einer Verfassung angeht, so wird in einem Entwurf nach wie vor festgeschrieben, daß sich der Staat Israel als demokratisch und zugleich als jüdisch definiert. Den „großen Geistern“ in Israel ist noch immer nicht einsichtig, daß man nur das eine oder das andere sein kann, denn wenn sich dieser Staat als „jüdisch“ bezeichnet, dann ist er nicht mehr demokratisch, weil dann nur Juden ein Recht darauf haben, dort zu leben – und keine Judenchristen, Nationenchristen oder christliche und muslimische Araber. Israels Justizminister Daniel Friedmann, dereinst Jura-Professor an der Tel-Aviver Universität, lehnt Kompromisse in religiösen Fragen kategorisch ab. Erneut zeigt es sich, daß Staat und Religion auch in Israel voneinander zu trennen sind, wenn diese fortgesetzten Ungerechtigkeiten gegenüber Minderheiten im Lande unterbleiben sollen, die natürlich zu gesellschaftspolitischem Sprengstoff führen und den Zusammenhalt im Volke untergraben. Andererseits heißt es in  dem Verfassungsentwurf, daß der Staat Israel die Menschenrechte seiner Bürger schütze und jedermann seine Identität, Sprache, Religion und Herkunft in Übereinstimmung mit seiner Ideologie entsprechend der staatlichen Gesetze bewahren könne. Mit solchen Formulierungen widerspricht sich die angehende Verfassung, was den Juristen des Staates eigentlich auffallen müßte. Auch hinsichtlich der Einwanderungsrechte haben lediglich solche Personen ein Bleiberecht bzw. Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, die in Israel geboren wurden und deren Vater und Mutter bereits israelische Bürger sind; oder wer im Ausland geboren wurde, dessen Vater oder Mutter israelischer Staatsbürger ist; oder ein Jude, der aufgrund des „Rückkehrgesetzes“ in Israel eingewandert ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß solche israelischen Elternteile normalerweise ebenfalls Juden sein müssen, um überhaupt in den Genuß der israelischen Staatsbürgerschaft zu gelangen. Es wäre mehr als ratsam, wenn Israel in seinem 60. Jahr seines Bestehens nun endlich eine Verfassung vorweisen könnte. Da es aber in Israel eine verschiedenartige Rechtsprechung gibt, nämlich eine weltliche, über die das Obergericht in Jerusalem wacht, als auch eine religiöse, die im Zuständigkeitsbereich der Rabbinatsgerichte liegt und sämtliche standesamtliche Angelegenheiten regelt, kann es nach Maßgabe einer solch bipolaren Rechtsprechung auch keine Verfassung geben, die diesen Namen überhaupt verdient und internationalem Standard genießt. Alles andere wäre nur eine Farce. Unter keinen Umständen dürften die Rabbinatsgerichte den weltlichen Gerichtshof in dessen Entscheidungen nicht unterlaufen, weil dies dann einem Mullahstaat entspräche. Der Konflikt zwischen weltlicher und religiöser Rechtsauffassung kann nur durch eine seriöse Verfassung gelöst werden, die sich auf die Würde des Menschen bezieht, wie dies auch die Zehn Gebote fordern. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind die Bausteine einer ordnungsgemäßen Verfassungsmäßigkeit, die dazu angetan ist, Israel vom Vorwurf des Rassismus zu befreien. Vor allem Familien mit verschiedenem religiösen Hintergrund sind besonders von der momentanen Situation betroffen, zumal wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, deren religiöser Status nicht geklärt ist. Falls also die Mutter Nichtjüdin ist, gelten dann die Kinder ebenfalls als Nichtjuden und sind demzufolge von vornherein unterprivilegiert.

Unterdessen verabschiedete die Knesset mit 35 zu 5 Stimmen Mitte Dezember ein Gesetz für die Installierung der größten Datenbank, wonach die Polizei auf Anordnung eines richterlichen Beschlusses die Daten von Bürgern offen legen darf sowie auch Telefongespräche abgehört werden können. Darunter fallen auch Mobiltelefone und Karten über lokale Antennen. In akuten Fällen kann dies auch ein Polizeibeamter ohne richterlichen Beschluß veranlassen, was wir für sehr bedenklich halten. Zugang zu all diesen Informationsquellen sollen die Militärpolizei, die israelischen Sicherheitsdienste, die polizeilichen Fahndungsstellen, das Justizministerium sowie die Steuerbehörde erhalten. Sicherheitsminister Avi Dichter drängte die Regierung zu dieser Gesetzesvorlage, wie dies auch der deutsche Innenminister Dr. Schäuble tut. Das Recht auf die Privatsphäre wurde von etlichen Abgeordneten angemahnt, so daß Rechtsanwälte, Psychologen oder Journalisten von dieser neuen Regelung ausgeschlossen werden. Jossi Beilin äußerte hierzu: „Wir schaffen damit Orwells 1984 am Ende des Jahres 2007.

Demzufolge geht der Menschenrechtsbericht in den Augen der Abgeordneten Colette Avital (Arbeiterpartei), Zehava Gal-On (Meretz) und Dov Cheinin (Chadasch) davon aus, daß die gegenwärtige Knesset die Menschenrechte mit Füßen trete. Das oben genannte Gesetz erhielt inzwischen den Beinamen „Big-Brother-Gesetz“. Der Regierung wird unterstellt, daß sie kein Interesse am Schutz des einzelnen Bürgers habe. Während die Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Frau Charlotte Knobloch, in Deutschland eine „internationale Leitkultur der Menschenrechte“ fordert, geschieht dies gerade in Israel nicht.

 

Ein klares Votum für das Recht auf die Evangeliumsverkündigung in Israel

 

Während der Oberrabbiner in Deutschland, Brandt, Judenmission als „Auschwitz mit anderen Mitteln“ bezeichnet (dies hatte bereits der einstige badische Landesrabbiner Peter Nathan Levinson und danach Stuttgarts Rabbiner Joel Berger so behauptet), übt man sich in Israel in einem handfesten Antichristentum, indem man Israels Judenchristen fortgesetzt diskriminiert und ihnen ihr Judesein abspricht. Solche Überwachungsgesetze laufen Gefahr, daß dem Bürger das Recht auf freie Meinungsäußerung genommen wird; wie auch vor allem die religiösen Parteien in Israel in all den zurückliegenden Jahren bestrebt sind, Judenchristen zu kriminalisieren und in ihren Akklamationen einzuschüchtern. Stünden dem Autor die notwendigen Gelder zur Verfügung, würde ich an jedem Wochenende eine messianische Predigt in den hebräisch- und russischsprachigen Zeitungen veröffentlichen. Dies ist unser gutes Recht, wie auch die Juden in Deutschland das Recht haben, Christen ins Judentum aufzunehmen und ihre Glaubensüberzeugungen publik zu machen, ohne deswegen mit Verfolgung rechnen zu müssen. Diese Doppelzüngigkeit ist unredlich und hat keine Überzeugungskraft. Daher betrachten wir es als eine große Neuverschuldung, wenn solche Stimmen wie die unsrigen in christlichen Kreisen dämonisiert werden, damit das Volk in Israel weiterhin von der Heils- und Friedensbotschaft seines eigenen Messias Jeschua ferngehalten wird. Gerade die angeblich so gut informierten kirchlichen und evangelikalen Medien halten es für opportun, unseren waghalsigen Verkündigungsdienst in Israel ihren Lesern vorzuenthalten und schreiben lieber über ihre Querelen mit anderen christlichen Einrichtungen und preisen dabei die Bedeutung Ihresgleichen an. Würden all diese Christen wirklich über die Gabe des Heiligen Geistes verfügen, dann müßte ihnen dieser unser Dienst in gleicher Weise wie bei uns ein Herzensanliegen sein, damit Israel endlich zu seinem wirklichen (Gottes-) Frieden kommt. Es gibt hierzu keine andere Lösungsmöglichkeit – und damit sehen wir bekennenden Judenchristen uns in einer Traditionslinie mit unseren Vorgängern, den Judenchristen Petrus, Paulus und den anderen Aposteln. Gerade Paulus verfolgte aus der gleichen judaistischen Überzeugung heraus die damaligen Judenchristen blutig, bis sich ihm aus lauter Gnade der Heiland in den Weg stellte. Doch mit diesem Paradigma wollen wir uns nicht abfinden, denn der Weg bis Sacharja 12,10 ist noch weit, wo sich der Heiland dereinst vor dem ganzen Volk als der Durchbohrte offenbaren wird. Bis dahin wird es in Israel noch viele Tote geben und vor allem viele, allzu viele verloren gegangene Seelen. Wenn auch 75 Prozent der Israelis auf ihr Judesein stolz sind, so wünschten wir uns, daß auch 75 Prozent der Deutschen und in anderen „christlichen“ Nationen stolz darauf wären, Christen zu sein, die sich vor allem im prophetischen Wort schulen ließen, anstatt nur sich selbst und ihren „hohen geistlichen Stand“ zu pflegen.

 

Klaus Mosche Pülz   

 

 


eine Information des ZeLeM e.V (2008)